Sylvi Cares in der SZ
- sylvicares

- 27. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Danke an Jessica und diesen Artikel, der die Welle zwischen Presse, Schlagzeile, Welten verbinden und der echten und gefühlten Erfahrung sehr gekonnt surft.
Lies hier Ausschnitte von ihrem Artikel vom 22.10.25 über das 5jährige Jubiläum der Conscious Date Night.
Den ganzen Artikel gibts hier: München: Dating für Menschen, die genervt sind von Tinder - München - SZ.de
"BERÜHREN STATT SWIPEN
Online wird geghostet und gelogen – das kann für Frust sorgen. Bei der Conscious Date Night lernen Singles sich dagegen über Berührungen kennen. Ist das ehrlicher? Ein Besuch."
Von Jessica Schober

"Das Wort, das nach dem Abend bleiben wird, lautet: „Wow!“ Es steht auf einem gefalteten Zettel mit Kuli geschrieben, eingesteckt in einen weißen Briefumschlag. Ganz oldschool und undigital liegen 70 dieser Brieflein auf einem Fensterbrett im Münchner Westen, und bevor die 70 Singles – und jene, die es womöglich bald nicht mehr sein werden – in die Nacht entschwinden, dürfen alle ihre Kuverts mitnehmen. Sie haben sich in den vergangenen fünf Stunden angeschaut, an den Fingerkuppen berührt, miteinander getanzt, die Mutigen unter ihnen haben miteinander gekuschelt – geghostet wurde keiner; geht ja schlecht in echt.
Angekündigt hatte die Veranstalterin etwas rätselhaft das „langsamste Speeddating“ der Welt, der Fokus liege auf dem Spüren. Seit fünf Jahren veranstaltet die Dachauerin Sylvi Cares solche Abende in München, inspiriert von dem Besuch einer ähnlichen Veranstaltung in Berlin. Ausgerechnet im ersten Pandemie-Sommer begann sie Kontaktformate anzubieten, die ganz anders sein wollten als der digitale Beutezug des Begehrens. „Bewusst begegnen. Präsenz spüren. Sich echt zeigen“, verspricht raunend die Unterzeile ihres Flyers, „Kein Swipen, kein oberflächlicher Smalltalk, sondern ein Abend, der alle Sinne anspricht“."
....
"Statt mit dem Daumen auf dem Bildschirm zu wischen, nutzen die Liebessuchenden in der nächsten Übung ihren Zeigefinger im Direktkontakt. Jeweils zwei Menschen stellen sich gegenüber auf und berühren sich nur mit den Zeigefingern. Einer führt, der andere folgt. Dann werden Rollen getauscht. Für jede dieser Übungen landet man bei jemand anderem und schon bald ist es ein wenig egal, ob es jetzt der attraktivste Zeigefinger im Raum ist, den man da gerade am Wickel hat oder nicht."
"Im Raum hat Sylvi Cares vorher mit Lichterketten definierte Zonen markiert, es gibt einen Bereich zum Tanzen, zum Kuscheln, zum Anschauen, auch Augenmasken liegen aus – und eine Solozone, in der man nicht gestört werden darf. Von allen Teilnehmenden hat sie die Bereitschaft eingeholt, sich an die vier Säulen ihrer Arbeit zu halten: Vertraulichkeit, Vertrauen, Eigenverantwortung und Erlaubnis.
Man kann das streng Strukturierte an diesem Begegnungsraum komisch finden – oder sich darin fallen lassen."
"So wie Paula – sie ist 35, Münchner Lehrerin und kommt schon seit Jahren zur Conscious Date Night. In Wirklichkeit heißt sie anders, doch ihre Schülerinnen sollen nicht wissen, dass sie vor fünf Jahren mal ein Sex-Retreat in Spanien gemacht hat und seitdem „eine andere Art von Kontakten“ auch in München sucht. Um ihren Hals baumelt ein goldener Halbmond an einer Kette, die blonden schulterlangen Haare trägt sie offen. Sie sagt: „Hier geht es viel respektvoller zu als beim Online-Dating.“
Sie sei früher sehr oft geghostet worden, die vielen Fake-Profile im Netz sorgten schließlich dafür, dass sie allen Apps und Portalen abschwor. „Man wird ganz abgeklärt davon“, sagt sie. Erst auf Veranstaltungen der sogenannten Conscious-Szene habe sie einen „sicheren Raum für Verbindung“ gefunden. Sie habe gelernt: „Nein ist ein ganzer Satz“ – auch als sie mal zufällig einen alten Bekannten traf, den sie bei einer Übung auf gar keinen Fall anfassen wollte, war es für sie okay, das offen zu kommunizieren. Ob sie heute zwischen Lichterketten und der mit roten Spannbettlaken bezogenen Kuschelecke einen Partner fürs Leben findet oder nicht, ist gar nicht so entscheidend für die Lehrerin. Ihr genügt eine Verbindung für den Moment."

"Sonderlich kontaktscheu oder im Affekt gehemmt scheint hier keiner zu sein. Erstaunlicherweise rennt auch kein Neuling schreiend davon, als die Moderatorin das sogenannte Eye-Gazing anleitet. Dabei sollen die Flirtenden sich auf das linke Auge ihres Gegenübers fokussieren und für fünf Minuten in einen tiefen Blickkontakt eintauchen. Anfangs kichern noch manche, doch bald kehrt eine intensive Stille ein. Wem jetzt nicht gerade die Kontaktlinse verrutscht, der hat die Chance, sein Gegenüber weit über die Irisfarbe hinaus kennenzulernen.
Dass Jörg, 55, einer von diesen sinnlich Starrenden ist, wissen die wenigsten in seinem Umfeld. Er hat noch schnell sein Bürohemd gewechselt, als er in den Saal gekommen ist. „Ich habe auch ein anderes Leben“, sagt der Ingenieur, „ich habe das Kopfdenken gelernt und war meine ganze Karriere lang im Kognitiven unterwegs“. Er kam vor drei Jahren das erste Mal zur Conscious Date Night – zu der Version speziell für über 50-Jährige –, nachdem er von einem längeren Auslandsaufenthalt nach München zurückgekehrt war. Auch er hatte ein paar Monate auf Bumble und Tinder seine Runden gedreht, aber „da fehlte einfach die Tiefe“, sagt der Mann mit den dunkelbraunen Locken."
.....
"Als sich am Ende der Veranstaltung ein ganzes Knäuel Menschen auf den Matten wiederfindet, wird klar: Hier geht es nicht darum, möglichst viele Matches zu sammeln, sondern mit Menschen in Kontakt zu kommen. Wer in seinem Briefumschlag eine Nummer findet, wird vielleicht anknüpfen an einen zeigefingerzart erspürten Kontakt. Oder auch nicht."
....
"Bis zur nächsten Conscious Date Night will Sylvi Cares aber noch den Titel ihres Formats geändert haben, erzählt sie. Sie will den Begriff „Date“ rausnehmen. Der sei nach rund 50 Veranstaltungen irgendwie nicht mehr stimmig für sie.
Denn es gehe ihr ja gar nicht so sehr ums Dating.
Sondern um echte Verbindung."
© SZ
Alle PresseFotos Stephan Rumpf




Kommentare